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Der Österreicher und der böse Wolf

Der Wolf ist in Österreich längst nicht mehr nur ein Gast. Derzeit sind sieben Rudel bekannt und registriert, vier davon mit rund 70 Tieren leben allein in Niederösterreich. Immer wiederkehrende Meldungen von Nutztierrissen (118 im Jahr 2018) verunsichern die Bevölkerung und die Frage, wie man sich und sein Vieh am besten schützen kann.

Die derzeitige Debatte über den erlaubten Abschuss von Wölfen sorgt immer wieder für Diskussionen zwischen Tierschützern, Wolfsexperten, Landwirten und Nutztierhaltern. Eine Folge davon sind Videos von (vermeintlichen) Wolfsrissen auf diversen Social-Media-Plattformen.

Eines davon ist dieses hier:

Der Angriff auf die Schafherde startet ab Minute 1:45

Handelt es sich dabei um einen Wolf?

Aufgrund der Videoqualität lässt sich dies nicht hundertprozentig feststellen, auch die Expert/innen, die wir dazu befragt haben sind sich nicht einig. Die einzige zuverlässige Möglichkeit, mit der man mit Sicherheit festzustellen, ob es sich um einen Wolf handelt, wäre eine DNA-Analyse.

Gründe, die für einen Wolf sprechen

Anhand der Erscheinung und Vorgehensweise ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Wolf handelt. Diese sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Um ihren Energiehaushalt zu schonen, bevorzugen Wölfe leicht zu jagende Beutetiere. Sie haben somit meist bei jungen, alten und geschwächten Tieren Jagderfolg. Auch im Video greift der Wolf die Lämmer an. 

Gründe, die gegen einen Wolf sprechen

Springen ist kein wolfstypisches Verhalten. Auch, wenn auf dem Video schwer zu erkennen ist, wie der Wolf in den Verschlag gelangt ist, sieht das Verlassen der Hütte stark nach Springen aus. Selbst, wenn er nicht hineingesprungen ist, sondern sich durch eine Lucke gezwängt hat, ist das artenuntypisch.

Auch Marianne Heberlein von der Vetmed Uni Wien und wissenschaftliche Leiterin der Core Facility WSC & Leiterin des Tierteams im Wolf Science Center sieht einige Gründe, die gegen einen Wolf sprechen.

Sie argumentiert ihre Entscheidung mit folgenden Punkten:

Wölfe sind sehr scheu, sensibel und schreckhaft, insbesondere gegenüber Geräuschen und der Anwesenheit von Menschen. Es liegt in ihrer Natur, Gefahren und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Das Tier wirkt auf dem Video selbstbewusst und lässt sich auch durch Hundegebell und Lärm, den es selbst verursacht, nicht aus der Ruhe bringen.

Selbst bei handaufgezogenen Wölfen braucht es viel Training und Geduld, bis sie sich trauen, ein fremdes Gebäude zu betreten. Dieses Tier ist über eine hohe Absperrung in einen Stall gesprungen und sieht dabei relativ entspannt aus, was darauf hindeutet, dass es die Gebäude sehr gut kennt.

Herkunft des Videos

Einer der wichtigsten Punkte beim Faktencheck war, dass dieses Video nicht aus Österreich stammt. Das Video stammt aus der Türkei, wo es viel mehr Wölfe gibt als bei uns. Außerdem finden die Wölfe dort mangels geeigneter Beutetiere (Überjagung der Wildtiere und Rückgang der extensiven Haustierhaltung, die eine „alternative“ Nahrungsgrundlage für die Wölfe darstellte) kaum Nahrung. Deshalb weichen sie häufig auf Mülldeponien in der Nähe von Städten und Dörfern aus.

Nicht nur der Wolf ist in der Türkei ein weit verbreiteter Beutegreifer, auch Braunbär, Adler, Luchs, Schakal und Fuchs kommen in höherer Dichte vor als in Österreich. Anders als bei uns wird die Bevölkerung bei Verlusten durch Raubtiere auch nicht durch staatliche Ausgleichszahlungen unterstützt. Viele Viehhalter und Landwirte greifen daher auf Herdenschutzhunde (z.B. den Kangal) zurück, um sich und ihre Tiere zu schützen. Das Hundegebell im Hintergrund des Videos lässt ebenfalls auf Herdenschutzhunde schließen.

Das Facebook-Video wurde auch nicht in einer nicht deutschsprachigen Gruppe gepostet. Die Veröffentlicherin des Videos zeichnet sich durch ihre Liebe zu Kangals und ihrer Abneigung gegenüber diversen Beutegreifern aus. Weitere Posts beinhalten „Heldentaten“ diverser Herdenschutzhunde und andere Risse von Nutztieren durch diverse Beutegreifer.

Der Name der Gruppe „Za zaščito ljudi domačih živali in okolja pred vdori in napadi zveri!“ bedeutet auf Deutsch „Zum Schutz von Menschen, Haustieren und der Umwelt vor Eindringlingen und Angriffen von Bestien!“


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