Radioaktive Wolke im Anmarsch?!

Einigen Telegram-Gruppen und russischen Medien zufolge soll sich eine radioaktive Wolke von der Ukraine in Richtung Mitteleuropa bewegen. Auch die Telegram-Gruppe „MARKmobil“ veröffentlichte am 19.05.2023 eine solche Meldung. Demnach sei am 13.05.2023 ein Munitionslager in der westukrainischen Stadt Chmelnyzkyj bombardiert worden. Die dort gelagerte Munition sei mit Uran angereichert und bei der Bombardierung durch eine große Explosion zerstört worden. Bereits wenige Stunden nach der Explosion sollen in Polen erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen worden seien.

Doch ist an dieser Behauptung etwas dran oder handelt es sich um reine Panikmache? Wir finden es mit unserem Faktencheck für euch heraus!

Der Ursprung der Behauptung

Die Behauptung, eine radioaktive Wolke sei auf dem Weg nach Europa, stammt von der russischen Regierung. Der Chef des russischen Sicherheitsrates Nikolai Patruschew behauptete am 19.05.2023, dass nach der Explosion eines ukrainischen Waffenlagers eine radioaktive Wolke auf dem Weg nach Europa sei. Durch die Berichterstattung der russischen staatlich finanzierten Medien „Tass“ und „RT“ und das Teilen auf sämtlichen Social-Media-Plattformen verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und versetzte viele Menschen in Panik.

Doch was ist dran an der Behauptung?

Der Raketenangriff am 13.05.2023 auf die Stadt Chmelnyzkyj hat laut einigen Medienberichten tatsächlich stattgefunden. Dies bestätigen beispielsweise der BR und die Tagesschau in ihren Berichten über die angebliche radioaktive Wolke. Der Bürgermeister der ukrainischen Stadt teilte mit, dass bei dem Angriff 21 Menschen verletzt und wichtige Infrastruktur beschädigt wurde. Von der Explosion eines Waffenlagers, in dem Uranmunition lagerte, war jedoch keine Rede.

Auch die polnische Atomenergiebehörde warnt vor Fehlinformationen und berichtet in einem Beitrag auf ihrer Plattform am 17.05.2023, dass es zwar einen leicht erhöhten Strahlenwert gebe, dieser aber normal und auf Regen zurückzuführen sei. Der leicht erhöhte Wert liege in einem unbedenklichen Bereich und habe keine Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung.

Erhöhte Strahlung durch Regen?

Um die Gerüchte über die radioaktive Wolke zu verstärken, verbreiten viele Internetnutzer „Diagramme zur Überwachung der radioaktiven Strahlung“ der Maria Skłodowska-Curie-Universität in Lublin. Diese Diagramme zeigen erhöhte Wismut-214-Werte, welche die Theorie der radioaktiven Wolke bestätigen sollen.

Tatsächlich ist es aber so, dass sich durch Regenfälle der Strahlenwert in der Luft für kurze Zeit erhöht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass „kurzlebige natürliche radioaktive Stoffe aus der Luft ausgewaschen und auf dem Boden in der Nähe der Messsonde abgelagert“ werden, so das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Die polnische Atomenergiebehörde bestätigt dies in ihrem Bericht und führt weiter aus, dass Wismut-214 zu den Radionukliden der Uran-Radium-Reihe gehört. Es kommt in der Atmosphäre und auf der Erdoberfläche als Aerosol vor. Bei Niederschlägen werden diese Aerosole aufgewirbelt, was zu einer erhöhten Wismut-214-Strahlung führt. Diese erhöhte Strahlung ist jedoch völlig unbedenklich und sinkt nach kurzer Zeit wieder auf normale Werte ab.

Warum werden solche Behauptungen verbreitet?

Warum solche Behauptungen verbreitet werden, lässt sich nicht genau sagen. Da aber die russische Regierung als Informant für die Gerüchte gilt, kann von klassischer Kriegspropaganda ausgegangen werden.

Russland ist seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine (und auch schon davor) dafür bekannt, Desinformation als Kriegsmittel einzusetzen. Desinformation dient quasi als „harmlose“ Waffe, um von den eigenen Verbrechen abzulenken, die Ukraine in ein schlechtes Licht zu rücken und Angst in der Bevölkerung zu verbreiten. Dies bestätigt auch der Leiter einer Taskforce gegen Desinformation, Lutz Güllner. Laut einem Bericht des BR erklärt Güllner, dass Russland die Angst vor Atomunfällen ausnutze. Die Verbreitung von Gerüchten über einen Atomunfall soll an die Atomkrise in Tschernobyl 1986 erinnern.

Fazit

Es gibt also Entwarnung. Weder die Explosion eines mit Uran angereicherten Munitionslagers, noch eine gefährlich hohe Strahlenbelastung, geschweige denn eine radioaktive Wolke über Europa können bestätigt werden. Es handelt sich rein um gezielte Desinformation der russischen Regierung. Die Information über eine gesundheitsgefährdende radioaktive Wolke soll hauptsächlich Angst schüren und kann unserer Recherche zufolge als kompletter „Schas“ eingestuft werden.

Bildnachweis Titelbild: Länder in Europa, Karte by San Jose, CC BY-SA 3.0